Das Blog Veganarchia hat mich zu einigen grundsätzlichen Positionen zu psychoaktiven Substanzen und meinem Engagement für eine neue Drogenpolitik befragt. Es ist ein recht schönes und teils auch sehr persönliches Interview dabei herausgekommen, dass ich auch meinen Lesern nicht vorenthalten möchte. Die Ereignisse in den Niederlanden haben sich nach dem 5. Mai überschlagen, aber inzwischen lässt mir die dortige Lage wieder Zeit für andere Themen. Daher möchte ich mit diesem Interview das Ende der Artikelflaute hier auf APB einläuten. Ab heute gibt es wieder regelmäßig Neuigkeiten hier.

Veganarchia: Wie würdest Du Deine allgemeine Position zu psychoaktiven Substanzen (sowohl legal wie illegal) in einem Satz beschreiben?

Antonio Peri: Die Trennung zwischen Droge, Medikament und Genussmittel ist eine rein juristische Definition, daher spreche ich lieber nur von Substanzen – psychoaktive Substanzen haben das Potential all das zu sein, es kommt nur auf unseren Umgang damit an.

Veganarchia: Inwieweit beeinflusst diese Einstellung deinen Alltag? Kennen Menschen aus Deinem privaten Umfeld deinen Blog, und wie finden die das?

Antonio Peri: Um diese Frage zu beantworten, muss ich etwas ausholen: Meine Experimentierphase ist abgeschlossen und bis auf moderat kiffen auch meine Zeit als Konsument. Zur theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema Drogen bin ich nach meinen ersten psychedelischen Erfahrungen (mit psilocybinhaltigen Pilzen) gekommen. Es gab im Freundeskreis einfach niemanden, mit dem ich diese Erfahrungen besprechen konnte. So bin ich dann auf das Land der Träume gestoßen, das war Anfang 2006 mein Einstieg in die „Drogenwelt“ des Internet. Das ging so weit, dass ich einige Jahre Moderator und nachher Co-Admin im LdT war. Substanzen wie Cannabis, Kokain, Amphetamin und MDMA habe ich in jungen Jahren (aber sehr moderat) konsumiert. Mein Einstieg in die psychedelische Welt fand jedoch eher untypisch mit knapp 30 Jahren statt – und das war gut so. Noch heute bin ich sehr zwiegespalten, ob Menschen in jugendlichem Alter schon die ernsthaften Psychedelika konsumieren sollten. Die charakterliche Tiefe – ein Trip fördert ja u.a. nur zutage, was in jemandem ist, ist noch wenig vorhanden und wohl auch weniger Selbstkontrolle. Trips sind ein sehr fragiler Zustand. Ich vergleiche sie gern mit einer Operation am offenen Herzen. Sie bieten wunderbare Chancen, aber bergen auch enorme Risiken. Psychedelika sind kein Spielzeug, auch wenn man damit Spaß haben kann – der wahre Sinn ist jedoch ernsthaft und wenn irgendwo das Wort „heilig“ angebracht ist, dann hier. Ich gehe keinesfalls so weit wie Dr. Christian Rätsch, der Psychedelika auch in jungen Jahren für angebracht hält, aber seine Position dazu lässt mir trotzdem keine Ruhe.

Da ich mein LdT-Profil nicht lösche, und auch das unter dem gleichen Namen öffentlich wahrnehmbar ist, möchte ich auch meine dunkle Zeit nicht verschweigen. Mit der Fülle der neuen sog. Research Chemicals habe ich es in meiner LdT-Zeit dann sehr übertrieben und keinen vorbildlichen Konsum praktiziert. Das hat mich dann auch (Upper/Downer-Kreislauf) in eine Benzodiazepin-Abhängigkeit geführt (die einzige körperliche Abhängigkeit die ich je hatte), hatte mein Ausscheiden aus dem LdT zur Folge und danach habe ich mich für ca. 2 Jahre komplett aus dem Thema zurückgezogen – sowohl was die Theorie als auch eigenen Konsum anbelangte.

Ging es in meiner LdT-Zeit noch um Substanzen, so geht es mir heute vornehmlich um Politik. Ich war schon immer ein politischer Mensch (auch Abseits von der Drogenpolitik) und insofern ist es nur schlüssig, dass ich das spannende Feld Drogenpolitik zu meinem Thema gemacht habe.

Meine Tätigkeit und öffentliche Wahrnehmbarkeit vor der viele Menschen, die sich gern engagieren würden, Angst haben, hat sich bisher nur positiv ausgewirkt. Gerade noch hat mich ein Mitarbeiter meines Stamm-Supermarktes zum aktuellen Prozess in Maastricht befragt. Ich war mal mit Kein Wietpas! – Shirt da und da hat er mich darauf angesprochen und gleich gesagt: „Find ich gut!“ Seitdem reden wir immer kurz wenn ich ihn beim Einkaufen sehe. Meinen eigenen Blog (für den ich seit April leider, wegen der intensiven Arbeit für Kein Wietpas! keine Zeit habe) kennen Freunde, aber nicht jeder Bekannte. Kein Wietpas! ist aber wesentlich bekannter.

Einen großen Verwandtenkreis habe ich nicht, aber dort thematisiere ich diese Sache nicht ausführlich. Eine kurze Interviewsequenz war zwar auch schon im WDR-Fernsehen, aber darauf bin ich bisher nicht angesprochen worden. Ich habe aber genug hinter mir, um mich nicht mehr zu verstecken oder zu heucheln. Wenn mich jemand fragt, bekenne ich mich klar. Allerdings sind manche Konservative sehr verbohrt und dabei vorsätzlich inkompetent. Das war in meiner Familie immer so. Vielleicht auch daher mein Wunsch wenigstens andere aufzuklären und etwas zu bewirken. Der Spruch: „Ein Prophet gilt nirgends weniger als … in seinem Hause.“ trifft auf mich absolut zu. Meine eigene Mutter habe ich nie überzeugen können, und die ist Schöffin bei Gericht, was die Sache noch einmal bitterer macht.

Veganarchia: Was sagst du zu staatlichen Anti-Drogen-Kampagnen wie zB ‚need no speed‚?

Antonio Peri: Lustigerweise kenne ich besagte Kampagne (ich habe sie mir zwischenzeitlich angesehen) noch gar nicht. Allerdings missfällt mir bei den staatlichen Kampagnen immer das Abstinenzdogma. Besser finde ich die Kampagne „Quit the Shit“ der Drogenberatungsstellen. Dort wird explizit gesagt, dass sich die Kampagne an Menschen richtet, die ihren Cannabiskonsum beenden oder reduzieren wollen. Dieses Reduzieren ist ein niedrigschwelliger Ansatz und völlig okay für Menschen, die ein problematisches Konsummuster haben, oder mit dem Konsum nicht zurechtkommen. Die Kampagne zu Alkohol „Kenn Dein Limit“ zielt ebenso nicht auf Abstinenz. Sowas geht auch mit anderen Substanzen als Alkohol. Wenn der Ansatz also nicht Abstinenz wäre, würde die Zielgruppe vielleicht auch dem Staat zuhören, anstatt nur darüber zu lachen und Witze zu machen. Das ist nämlich bislang der größte Effekt staatlicher Kampagnen.

Veganarchia: Würdest du alle illegalen Drogen gern legalisiert sehn? Warum / warum nicht? Machst du dir aufgrund deiner Präsenz in der Öffentlichkeit sorgen um deine Privatsphäre?

Antonio Peri: Ich beende meine Kommentare manchmal mit einem abgewandelten Cato-Zitat: „Im Übrigen bin ich der Meinung, dass BtMG, AMG und GüG ersatzlos gestrichen werden müssen.“ Das ist natürlich Polemik und eine Maximalforderung. Die realpolitisch erreichbare Lösung sieht aber wohl anders aus. Zumindest in unserer Staatsform. Das weiter zu denken, führt schon beinahe zu Deiner Frage nach einem anarchistischen Gesellschaftsmodell, dazu aber später.

Die Prohibition und die damit einhergehende Repression, die sowohl unmenschlich als auch volkswirtschaftlicher Wahnsinn ist, verursacht mehr Probleme als ein falscher Umgang mit psychoaktiven Substanzen. Ich empfehle noch diesen kurzen Audiobeitrag.

Fast weltweit haben die USA in den 60er Jahren mit dem Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel ein ideologisches und abgrundtief dummes System etabliert, dass seitdem unendlich viel mehr Leid verursacht und Opfer gefordert hat, als diese angeblich von Grund auf bösen Substanzen. Ich finde es unerträglich, dass aufgrund dessen politische Änderungen gelähmt sind. Einzig in den USA selbst kümmert man sich nicht um diese internationalen Verträge. Wir sollten das Einheitsabkommen entweder aufkündigen, oder (wie Amerika) einfach nicht beachten. Bei Rüstungsexporten können wir das ja auch ganz gut. Das Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel ist das größte Hindernis auf dem Weg zu einer vernünftigen und unideologischen Drogenpolitik.

In Punkto Privatsphäre habe ich umgedacht. War ich bisher ein Gegner der Post-Privacy, weiß ich doch, dass man sich nicht verstecken und gleichzeitig öffentlich wahrnehmbar sein kann. Anonymous kann das, aber mein politisches Engagement kann das so nicht. Trotzdem benutze ich einen Nickname, der mittlerweile wesentlich mehr als das geworden ist. Antonio Peri ist schon eher ein Alter-Ego. Die Behörden wissen evtl. wer ich bin. Ich verschleiere nicht einmal meine IP. Allerdings war mir auch klar, dass politisches Engagement und Konsum von mehr als geringen Mengen nicht zusammengeht. Ich habe also nicht viel zu befürchten, hoffe jedoch trotzdem nicht Opfer von behördlichen Schikanen zu werden. Damit rechne ich aber jederzeit.

Veganarchia: Hast Du Dich je mit dem Thema Anarchie beschäftigt?

Antonio Peri: Nicht ausreichend. Eine herrschaftslose Gesellschaft ist ein Traum und wünschenswert. Allerdings habe ich große Sorgen, ob wir in unserer derzeitigen Evolutionsstufe dazu bereit sind. Zunächst müsste sich der Geist aller Menschen ändern. Das setzt eine entheogene bzw. psychedelische Revolution voraus, bezüglich der ich aber auch ziemlich desillusioniert bin. Natürlich habe ich Dinge erkannt, und mich auch unwiderrufbar durch meine psychedelischen Erfahrungen verändert. Die haben schon etwas geschafft, was keine Psychotherapie hinbekommt. Allerdings greift das nicht immer und überall. Auch ich bin manchmal klein und egoistisch. Reicht es in einer Anarchie nicht aus, wenn wenige Starke die Macht an sich reißen und andere unterjochen möchten? Wie wehrt sich die Mehrheitsgesellschaft dann gegen solche potentiellen Tyrannen? Eine Anarchie würde also einen absoluten gesellschaftlichen Konsens voraussetzen und ein viel sozialeres Verhalten. Es könnte die Staatsform von wirklich humanen und hochintelligenten Wesen werden – aber ich sehe das in ferner Zukunft und auch nur wenn ich utopisch und nicht dystopisch denke.

Veganarchia: Wie denkst Du wie in einer anarchistischen Gesellschaft mit Drogen umgegangen wird/werden würde?

Antonio Peri: Ich denke dass Drogen dann wesentlich besser benutzt würden als heute und es weniger problematischen Konsum gäbe, da die Menschen nicht mehr so viele Verletzungen damit überdecken müssten. Diese Konsummotivation führt ja meist in ein problematisches Konsummuster oder in die Sucht. Egal wie die Gesellschaftsform ist, werden Drogen aber immer da sein und eine Rolle spielen. Sie sind von der Menschheit nicht zu trennen. Daher finde ich auch, dass es kein Zitat gibt, was dümmer und so abgrundtief unmenschlich ist, als der Satz von Helmut Kohl: „Unser Ziel muss eine Gesellschaft sein, die Rausch einmal genauso ächtet wie Kannibalismus.“ Dieser Mensch hat noch nie die tiefen Erkenntnisse aus LSD oder Psilocybin kennengelernt. Wie echt, wahr und natürlich das ist. Noch hat er das totale Verständnis zwischen zwei Menschen die sich lieben auf MDMA gespürt. Das verbieten und ächten zu wollen ist ein echtes Verbrechen, dass hoffentlich vor einem höheren Gericht als unseren weltlichen geahndet wird.

Veganarchia: Danke