ERFURT – Am heutigen Donnerstag wurde der Koalitionsvertrag der rot-rot-grünen Koalition in Thüringen vorgestellt. Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion „DIE LINKE“ mit Wahlkreis in Thüringen, äußert sich auf seiner Facebook-Seite zwar durchaus positiv zu den drogenpolitischen Positionen, die in dem 110 Seiten starken Papier auf den Seiten 29 und 30 zu finden sind, jedoch findet sich dort keine der innovativen Forderungen zur Drogenpolitik aus den Reihen von Linken und Grünen wieder. Interessant ist jedoch, dass Drugchecking befürwortet wird – allerdings ohne eine konkrete Absichtserklärung dieses zu ermöglichen.

Hashtag rot-rot-grün in Thüringen - Drogenpolitisch bleibt der Koalitionsvertrag hinter den Erwartungen zurück

Hashtag Rot-Rot-Grün in Thüringen. Drogenpolitisch bleibt der Koalitionsvertrag hinter den Erwartungen zurück

Gerade einmal eine halbe Seite beansprucht der Punkt „Suchtprävention“, der unter „Gesundheitspolitik“ zu finden ist. Das Wort „Entkriminalisierung“ sucht man dort vergeblich. Es ist lediglich von „akzeptanzorientierten Maßnahmen“ in der Suchtprävention die Rede. Wie diese Akzeptanz aussehen soll bleibt unklar. Vermutlich sind niedrigschwellige Angebote der Drogenberatungsstellen gemeint. Generell behandelt der Koalitionsvertrag das Thema Drogen aber nur unter dem Aspekt „Sucht“ und „Suchtprävention“. Die Freizeitkonsumenten ohne Suchtproblem, die größte Gruppe der Konsumenten illegalisierter Substanzen, kommen nicht vor. Zwar ist die Rede davon, dass die bisherige Suchtpräventionspolitik evaluiert werden soll, aber Konsequenzen aus dieser Evaluierung bleiben offen.

Auf Methamphetamin, das in Thüringen aufgrund der Nähe zu Tschechien ein großes Thema ist, wird besonderes Augenmerk gelegt. Ebenso auf eine nicht-stoffgebundene Sucht, das pathologische Spielen. Spielhallen sollen stärker reguliert werden – was auch immer das heißt. Dafür will sich die neue Regierung auch auf Bundesebene einsetzen.

Auch zur Substitutionstherapie von Heroinabhängigen bleibt das Papier nebulös und unkonkret. Von „bedarfsgerechter Ausgestaltung“ der Substitution ist die Rede. Auch davon, dass geprüft werden soll, wie den behandelnden Ärzten mehr Rechtssicherheit gegeben werden kann. Konkrete Positionen zur Substitutionsbehandlung mit Diacethylmorphin (Heroin) sucht man jedoch vergeblich und geprüft werden kann so einiges. Die BtMVV (Betäubungsmittelverschreibungsverordnung) ist jedoch ein Bundesgesetz und kann nicht von einer Landesregierung geändert werden.

Das Wort „Cannabis“ kommt überhaupt nicht vor und die ambitionierten Vorschläge der linken Bundestagsfraktion zur Einführung von Cannabis-Social-Clubs finden sich im Koalitionsvertrag nicht wieder. Einzig das von den Grünen geforderte Drugchecking, dass im Bundestag genau wie der Antrag der Linken zur Einführung von Cannabis-Clubs am 17.01.2013 abgeschmettert wurde, wird im letzten Absatz des Punktes „Suchtprävention“ befürwortet. Jedoch fehlt auch hier wieder eine konkrete Absichtserklärung dieses zu ermöglichen – wohl auch, weil das über die Möglichkeiten einer Landesregierung hinausgeht.

Auch wenn sich die guten Absichten erahnen lassen, findet man außer einer Verbesserung der Präventionsangebote keine konkreten Absichtserklärungen für eine vernunftbasierte, pragmatische und humane Drogenpolitik im thüringer Koalitionsvertrag. Weder die Forderung der Linken nach Einführung von CSCs noch die Forderung der Grünen nach Einführung von Drugchecking finden sich als konkrete Absichtserklärungen. Cannabis-Clubs werden gar nicht erst erwähnt und die Möglichkeit zum legalen Drugchecking soll lediglich geprüft werden. Ein guter Wille ist zwischen den Zeilen herauszulesen – genauso aber auch die Furcht davor konkret zu werden, sich festzulegen und eventuell zu polarisieren.

Vor dem Hintergrund der Angst-Kampagne gegen Rot-Rot-Grün ist diese Vorsicht nachvollziehbar. Man will nicht auch noch mit einer fortschrittlichen Drogenpolitik den Koalitionspartner SPD und die Wähler auf Bundesebene schockieren. Keine unnötigen Angriffsflächen sollen geboten werden. Allerdings ist die SPD mit 12 Sitzen in Thüringen nicht einmal gleichauf mit der Linken, die im neuen Landtag mit 28 Sitzen vertreten ist. Zählt man noch die 6 Sitze von Bündnis90/Die Grünen hinzu, ist das Verhältnis 34 zu 12. Und anstatt die drogenpolitisch zaudernde SPD auf dem Weg hin zu einer reformierten Drogenpolitik mitzunehmen, werden Zugeständnisse gemacht. Dabei böte das „Testfeld Thüringen“ auch der SPD eine relativ gefahrlose Möglichkeit endlich über ihren Schatten zu springen und neue Wege in der Drogenpolitik zu beschreiten. Die öffentliche Meinung zum Thema Drogen ist im Wandel begriffen und es ist gar nicht sicher, ob durch innovative Modelle wirklich Wähler abgeschreckt würden. Es könnten stattdessen, gerade unter jungen Leuten, wieder mehr Menschen für politische Teilhabe gewonnen werden wenn diese sehen, dass Politik ihre Lebensrealität widerspiegelt und sich um pragmatische Lösungen und Regeln bemüht, anstatt eine weltfremde Ideologie der Abstinenz mit allen Mitteln und zum Schaden für Viele durchsetzen zu wollen.