Nach der neverending Story um den Wietpas in den Niederlanden rudert nun auch Belgien nach der Wahl einer neuen, konservativen Regierung unter Premierminister Charles Michel in Punkto Cannabispolitik drastisch zurück. Bislang glänzte Belgien mit einer echten Entkriminalisierung des privaten Kleinstanbaus und dem Besitz geringer Mengen (bis 3 Gramm). Damit soll nun Schluss sein. In Antwerpen, wo die ultrarechten politischen Kräfte sehr stark sind, galt schon länger eine Null-Toleranz-Politik im Bezug auf weiche Drogen. Dieses Modell soll nun im ganzen Land eingeführt werden. Was das für die, in Belgien bislang gut funktionierenden, Cannabisclubs wie „Trekt uw Plant“ bedeutet, ist völlig offen.

Urheber der neuen belgischen Null-Toleranz: Bart de Wever, Foto: Ildephonse Habimana wa Murayi (CC-License)
Ab sofort gilt in Belgien eine Null-Toleranz-Politik im Bezug auf alle Drogen – egal ob für Minderjährige oder Erwachsene. Die Entkriminalisierung von Cannabis ist damit Geschichte.
Seit 2003 praktizierte Belgien, wie die Niederlande, eine Duldungspolitik im Bezug auf Cannabisprodukte. Der Besitz von bis zu 3 Gramm Haschisch oder Marihuana durch volljährige Personen war de facto entkriminalisert. Das bedeutete in der Praxis, dass unauffälligen Personen bei einer Kontrolle diese Menge nicht abgenommen wurde und auch kein Ermittlungsverfahren eröffnet wurde. Der Besitz dieser Kleinstmengen hatte bei der Strafverfolgung unterste Priorität. Auch der Anbau zum privaten Konsum war von der Strafverfolgung ausgenommen. Pro volljähriger Person im Haushalt war eine, auch professionell unter Kunstlicht gezogene, Cannabispflanze geduldet. Diese Regelung machte funktionierende Cannabis-Social-Clubs wie „Trekt uw Plant“ möglich, die im Verein Cannabis anbauten und ihre Mitglieder mit den zugestandenen Mengen versorgten. Nach anfänglichen Problemen mit der Staatsmacht funktionierten „Trekt uw Plant“ und weitere CSCs in Belgien mittlerweile reibungslos.
Damit dürfte nun Schluss sein, denn in Belgien brechen wieder harte Zeiten für Cannabis-Liebhaber an. Angefangen hat die unselige Entwicklung in Antwerpen. Der dortige Bürgermeister Bart de Wever von der nationalistischen Partei N-VA verfolgte schon länger eine, auf Antwerpen beschränkte, Null-Toleranz-Linie in der Drogenpolitik. Ungeachtet der nationalen Duldungspolitik wurde in Antwerpen kein Unterschied zwischen harten und weichen Drogen gemacht und Drogenbesitz oder der Konsum in der Öffentlichkeit scharf verfolgt. Diese Politik wird nach dem Sieg der Nationalisten nun landesweit eingeführt.
Damit kehrt Belgien in die drogenpolitische Steinzeit zurück. Allerdings gibt es aus Regierungskreisen bislang keine Verlautbahrungen zum Umgang mit Cannabis zu medizinischen Zwecken und auch kein Statement bezüglich der zukünftigen Handhabung der bestehenden Cannabis-Social-Clubs wie „Mambo“ oder „Trekt uw Plant“.
Okt 12, 2014 @ 14:16:44
Traurig , traurig!!
So etwas passiert wenn solch nationalistisches und konservatives, weltfremdes Gesocks die politische Mehrheit und somit die Macht in einem Staat bekommt und völligst ohne Grund wieder eine Politik gegen das eigene Volk zu führen mit scheinheiligen Argumenten.
Für die CSC´s in Belgien sehe ich ebenfalls schwarz denn wie will man jetzt noch vor einem Gericht argumentieren bzw. auf was für eine Rechtsgrundlage sich berufen??
Somit darf auch die belgische Polizei genauso wie ihre deutschen Kollegen wieder fleißig Kiffer jagen und jedem Krümmel Dope eifrig hinterher Hecheln.
Der belgische Hanffreund darf sich somit auf dem einheimischen Schwarzmarkt wieder bedienen oder besucht den nördlichen Nachbarn.
Was mich am meisten ärgert: Der ganze Kampf und die ganze Energie und Einsatz den Menschen die letzten Jahre geführt haben, Leute wie Joop Oemen die vor Gerichten gekämpft hatten und sich einen Kampf mit den belgischen Behörden geliefert haben inklusive Polizeistiefel im Gesicht ist erstmal für die Katz.
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Okt 12, 2014 @ 15:08:03
„Trekt uw Plant“ schreibt soeben fogendes auf seiner Facebook-Seite, wo ich diesen Artikel verlinkt habe: „No panic please, Ministerial Guideline of 2005 that allows for the possession of one female plant and possession of max. 3 grammes is still in tact, Belgian Cannabis Social clubs can still operate, but discretely, outside of the public space.The hypocrisy has just increased a bit more, that’s all. But we are used to that.“
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Okt 13, 2014 @ 16:19:07
Ich bin da auch pessimistischer und rechne damit das die Polizei bei Trekt uw Plant oder auch im Mambo demnächst wohl einfallen wird auch wenn ich es selbst nicht hoffe.
Ob die Polizei bock auf was hat oder nicht spielt hier eher eine sehr untergeordnete Rolle denn richtig ist das die Polizei hier unterstellt ist und ein ausführendes Organ ist.
Auch viele deutsche Polizisten haben eher weniger Lust(außer in Bayern) jeden Hanffreund hinterher zu jagen doch sprechen über 100000 Strafverfahren und davon die meisten wegen einfachen Besitz ne sehr deutliche Sprache.
Das Beispiel mit Maastricht ist gut.
Trotz fast 40 jähriger Duldungspolitik ist die Polizei sich dort auch nicht zu schade Coffeeshops massiv zu kontrollieren und Käufer zu jagen die auf den Schwarzmarkt kaufen.
Dabei hat Maastricht wie viele andere Städte auch ganz andere Probleme.
Ich denke mit solch einer Regierung in Belgien werden die Uhren sehr weit zurück gedreht werden .
Von einer kontrollierten Produktionskette für Cannabis hat sich Belgien drogenpolitisch erstmal sehr weit entfernt.
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Okt 12, 2014 @ 16:30:54
Schön, Antonio, mal wieder was von Dir auf diesem Blog zu lesen…!
Meine Frage hast Du ja schon mit dem Zitat von „Trekt uw Plant“ beantwortet: Gibt es denn schon ein „Gesetz“ oder eine Verordung dazu? So wie es aussieht steht die „Entkriminalisierung von Cannabis“ in einer Ministerial-Richtlinie, die defacto immer noch gültig ist.
In denke nicht, dass die Belgische Polizei großen Bock haben wird nun wieder vermehrt wegen Kleinstmengen gegen unproblematische Konsumenten arbeiten zu müssen. Das wird sich im belgischen Innenministerium schon rumsprechen…
BTW; Der „Hirnfurz“ vom niederländischen Hardliner Opstelten mit den 15%-THC läßt sich mit der bisherigen Rechtspraxis (Backdoor-Problem) auch nicht durchsetzen, wie ihm ja schon die eigenen Experten mitgeteilt haben.
Ich glaube nicht, dass in Belgien die Uhren wieder zurückgedreht werden können, genausowenig wie in den Niederlanden.
Im Gegenteil: Es wird auf eine kontrollierte Produktionskette für Cannabis hinauslaufen (müssen!).
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Okt 13, 2014 @ 00:12:31
Ich bin da leider nicht ganz so optimistisch wie Du und „Trekt uw Plant“. In Maastricht hatten die Polizisten sicher auch keine Lust auf die Coffeeshop-Razzien im Mai 2013. Der Polizist, der Marc Josemans festnahm, war z.B. ein langjähriger Bekannter aus der Nachbarschaft – man hatte ein gutes Verhältnis und Josemans hatte sich extra einen Karnevals-Sträflingsanzug besorgt. Nichtsdestotrotz nahm es in Maastricht ein jähes Ende – die Coffeeshopvereinigung (VOCM) hat sich aufgelöst, es gab Verurteilungen zu Geldstrafen und die wenigen Nachbarn, die noch in diese unfreundliche Stadt fahren, decken sich auf dem Schwarzmarkt ein und gehen nicht mehr shoppen oder Essen. Egal wie schwachsinnig und gegen die Bürger und Geschäftsleute gerichtet diese Politik ist – sie wird weiter durchgeführt.
Polizisten sind von Hause aus eben nur Befehlsempfänger und ausführendes Organ der Politik. Von denen ist kein ziviler Ungehorsam zu erwarten.
Und Belgien ist ein zutiefst gespaltenes Land. „Teile und herrsche“ heißt es bei Machiavelli. Das dürfte gerade in Belgien besonders leicht sein. Auf dem Altar: „Flamen gegen Wallonen“ wird alles geopfert – zuerst die Vernunft. Und dabei war Belgien ein so schönes Beispiel für eine gelungene Entkriminalisierung. Dieses Land hat ganz andere Probleme als Cannabis. Eine Nebelkerze der Nationalisten ist das – aber so funktioniert rechte Politik eben.
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Maastrichter SP besorgt wegen des Endes der belgischen Toleranzpolitik | Kein Wietpas!
Okt 14, 2014 @ 22:40:54
Okt 16, 2014 @ 18:48:49
Schade wenn die nun eine restriktive Linie fahren. Im Jahr 2006 bin ich mal in Tongeren von Maastricht kommend von der Polizei bei einer großangelegten Kontrolle mit deutschen Auto angehalten worden. Auf die Frage ob ich Drogen dabei hatte konnte ich damals ganz entspannt sagen: “ Ja zwei Gramm Marihuana.“ Daraufhin wollte der Polizist das Gras sehen und hat mir das mit den Worten „ist ok “ zurück gegeben^^
Schade wenn das nun wieder vorbei ist, auf der anderen Seite sehe ich das in Belgien trotz allem weiterhin entspannt, denn die Polizei ist dort nicht so drauf wie in Deutschland das sie (außer bei internationalen Großkontrollen gegen Drogentouristen) explizit kleine Kiffer jagen tut. Eventuell in Flandern wird es etwas strenger werden, wobei Antwerpen besonders heraussticht, wohingegen Gent trotz Verbot weiterhin sehr liberal damit umgehen wird. In Brüssel haben die eh was anderes zu tun und auch die Wallonie wird ihre wenigen Ressourcen nicht für die Bekämpfung von Kiffern ausgeben.Insofern kann man das in Belgien trotz allem immer noch entspannter ansehen als in den meisten Gebieten der Bundesrepublik, welche sehr restriktiv gegen Kiffer vorgehen (Bayern,BW, Sachsen,etc.)
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