Der „Zoch vor dem Zoch“ hat in Köln Tradition, wenn auch erst seit 2007. In diesem Jahr nimmt die Kölner Hanfinitiative Cannabis Colonia gemeinsam mit den Pappnasen Rotschwarz, Attac, Occupy Köln und vielen anderen Untergrundjecken an der satirisch-politischen Demonstration teil, die dem Kölner Rosenmontagszug auf der gesamten Strecke vorausläuft. Mehr Menschen werden sonst in Köln an keinem Tag des Jahres durch eine Demonstration erreicht. Im Gegensatz zum Rosenmontagszug besteht der Zoch vor dem Zoch (Zug vor dem Zug) nicht aus geschlossenen Gruppen. Demotypisch kann jeder kurzentschlossen teilnehmen.
Die Ursprünge des rheinischen Karnevals in der heutigen Form sind politisch. Spätestens in der Zeit der napoleonischen Besatzung im Rheinland, hat die Session ihren Fokus auf den politischen Protest verlagert. Mit der Adaption des katholischen Brauchtums, konnte man einmal im Jahr die herrschenden Besatzer ungestraft verhohnepiepeln. Man machte sich über die lustig, unter deren Knute man ansonsten das ganze Jahr über kuschen musste – und auch der Spaß kam dabei nicht zu kurz. In den Tagen vor dem Fasten herrschte Anarchie und vieles, was sonst gegen die Konventionen verstieß war dann erlaubt.
Heute ist vielen dieser Ursprung der rheinischen Tradition nicht mehr bewusst. Durch die Einflussnahme der Nazis und die Infiltration des Karnevals durch die herrschenden Schichten des Bürgertums seit den spießigen 1950er Jahren, hat der Karneval viel von seinem revolutionären Potential eingebüßt. Seit Jahrzehnten beschränkt sich die politische Dimension auf Karikaturen von Bundespolitikern der etablierten Parteien (zu denen ein Großteil der Mitglieder der Traditionsvereine, wie den roten Funken in Köln, selbst gehören), die als Pappfiguren am Zug teilnehmen. Die Kritik wurde dabei immer harmloser und selbst gute Vorlagen wie z.B. Brüderle werden dieses Jahr ignoriert. Der offizielle Karneval ist also harmlos und spießig geworden und ist damit das Gegenteil der Ursprungsidee des rheinischen Karnevals, der immer von unten kam.
Diesen alten Ansatz hat die linke Bewegung G8-Pappnasen (heute Pappnasen Rot-Schwarz) 2007 wieder aufgegriffen und organisiert seitdem den Zug vor dem Zug. Eine legal als Demonstration angemeldete Veranstaltung, die gleich vor dem offiziellen Rosenmontagszug in Köln auf derselben Zugstrecke stattfindet. Aufgrund dessen hat der Zug vor dem Zug das gleiche Publikum wie der eigentliche Rosenmontagszug. Seit Jahren schon nehmen neben der Kölner Attac-Gruppe auch Occupy Cologne und weitere linke Mitstreiter am Zoch vor dem Zoch teil, um auf die gesellschaftlichen Missstände durch den Turbo-Kapitalismus und die Herrschaft der Finanzeliten aufmerksam zu machen. Dieses Jahr unter dem Motto: „Ömverdeile deit Nut, he un am Zockerhut“ (Umverteilen dass tut Not, hier und am Z(o)ckerhut – in Anlehnung an das offizielle Motto: „Fastelovend em Blot, he un am Zuckerhot“ (Karneval im Blut – hier und am Zuckerhut). Interessanter Nebenaspekt des Karnevals ist auch, dass ein Vermummungsverbot an diesem Tag kaum durchsetzbar ist.
In diesem Jahr nimmt erstmals die Kölner Hanfinitiative Cannabis Colonia, die es seit Ende 2011 gibt und die im letzten Jahr weiter gewachsen ist, an dieser außergewöhnlichen Demo teil. „In erster Linie wollen wir die ganz normalen Zuschauer am Wegesrand darauf aufmerksam machen, dass Cannabis zur Gesellschaft gehört, aber genauso, dass Menschen Cannabis als Medizin brauchen aber dieses nicht bekommen, oder nicht bezahlen können. Selbst im liberalen Köln besteht im Bezug auf Cannabis noch viel Aufklärungsbedarf“, sagt Sofia Cugusi, Gründungsmitglied von Cannabis Colonia, deren Ziel ein lokaler Cannabis-Club ist, wo sich Mitglieder fernab des kriminellen Milieus mit selbstangebauten Hanfprodukten versorgen können. Auch die steuerlichen Vorteile eines legalen und kontrollierten Umgangs mit Hanf werden thematisiert. Der Verein hat bisher Aktionen wie die Dampfparade (in Anlehnung an die Hanfparade in Berlin) organisiert und ist in Köln und im Umland recht aktiv.
„Ich bedanke mich bei allen, die uns bisher unterstützt haben und weiterhin unterstützen werden“, sagt Sofia Cugusi. „Die Arbeit auf der Straße – also Infostände, Demonstrationen und vieles mehr sind sehr wichtig, um die Öffentlichkeit für unser Projekt zu gewinnen. Karneval mal anders feiern: Mittendrin statt nur dabei – außerdem kann man an keinem anderen Tag im Jahr ein so großes Publikum in Köln erreichen“, fügt Cugusi an. Der größte Karnevalsumzug in Deutschland erfreut sich jedes Jahr ca. einer Million Zuschauer und verläuft ungefähr vier Stunden lang über eine Strecke von sieben Kilometern.
Zugleiter Christoph Kuckelkorn hat eine Anfrage des Cannabis Colonia e.V. zur offiziellen Teilnahme am Rosenmontagszug leider eine Absage erteilt. Er wies darauf hin, „dass Hanf nicht traditionell in unserer Karnevalskultur verankert ist.“ Sofia Cugusi bezweifelt die Aussage von Kuckelkorn und verweist auf den kölschen Hit der Band Brings: „Superjeile Zick“ in dem die erste Zeile lautet: „Mach noch ens die Tüt an“ (Zünde nochmal die Tüte an).
Kurzentschlossen kann sich jeder dem Zoch vor’m Zoch anschließen. Treffpunkt ist am Rosenmontag um 9 Uhr morgens am Severinswall in Köln zwischen „Früh em Veedel“ und Altenburgerstraße. Damit 1 ½ Stunden früher als die Aufstellung zum offiziellen Zug, der um 10:30 Uhr beginnt.
Alle aktuellen Informationen zum Zoch vor dem Zoch am Rosenmontag in Köln findet man auch hier auf Facebook. Wer sich im Vorfeld ein Bild vom Zoch vor dem Zoch machen möchte, findet einen kleinen Eindruck im eingefügten Video.
Feb 10, 2013 @ 20:10:17
Cannabis muss viel öfter ans Tageslicht, nicht nur im Karneval:-)
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Feb 12, 2013 @ 00:59:16
Ja,Barbara da geb ich Dir recht! Na ,immerhin wir (ne kleine Delegation von Cannabis Colonia e.V.)waren da.. Insgesamt waren auf dem Rosenmontag 13000 Leute die ab 9Uhr bei gefühlten -5C° die 7km gelaufen,getanzt,gefahren oder geritten sind. Besucherzahlen -wie immer proppenvoll.. Ich hatte erst echt Bedenken,weil ich bin kein Liebhaber von Massen an Menschen. Ok,aber die Aktivisten anderer Organisationen liegen mir sehr am Herzen und ich finds super ,daß die Pappnasen Rot-Schwarz den Zoch vorm Zoch organisiert haben.,also keine Frage-klar gehe ich mit! Ich denke unter dem Motto >> Falsche Drogenpolitik kostet Geld und Leben<<,war es auch absolut gerechtfertig,denn in Zeiten von Finanzkrise & missachteten Menschenrechten,sollte man nochmal die Drogenpolitik dieses Landes genauer unter die Lupe nehmen. Insgesamt muss ich sagen-ja,doch Köln ist tolerant..Gab viele -Daumen hoch- für.uns .und sehr viele die gerade eben die Vielfalt der verschieden Gruppen im Zug vorm Zug im Bild festgehalten haben. Kurzum: Nächstes Jahr gern wieder! Seid dabei..
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Feb 12, 2013 @ 19:22:58
Vielleicht gibt es hier auch Leser, die noch wissen wollen, ob Cannabis Colonia an weiteren Mitgliedern interessiert ist. Und welche Voraussetzungen diese mitbringen müssen. Immerhin ging es gestern und heute auf kein Wietpas in einer Diskussion über Cannabis Social Clubs und deren Gründung. Da die Gründung eines CSC ja auch erklärtes Ziel von Cannabis Colonia ist, könntest Du eventuell hier noch kurz etwas darauf antworten.
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Feb 13, 2013 @ 03:36:44
Hallo ihr Lieben! Ja,na klar,jeder,der unsere Idee gut findet,ist bei uns herzlich Willkommen! In erster Linie sind wird gerade in der Aufklärungsphase,und da fehlts auch im sehr toleranten Köln sehr dran.. Also haben wir noch jede Menge zu tun..helfende Hände brauchen wir immer!! Unser Projekt:Kommunaler Social Club ist ja auch in Arbeit,ein erst engagierter Bürger,jetzt Mitglied hat einen Antrag darauf bei der Stadt Köln eingereicht. Wir warten noch auf die Antwort..
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Feb 13, 2013 @ 01:52:44
Ich meine: Nach dem Aschermittwoch geht es weiter. Cannabis macht nicht nur zu Karnval Spass und ist ein Projekt für das ganze Jahr – besonders für Patienten, die es wirklich brauchen. Also sollte das Interesse auch nicht am morgigen Aschermittwoch enden – dass ändert gar nichts.
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Feb 13, 2013 @ 03:53:09
Ja nach Karneval ist vor Karneval,und nach der Dampfparade ist vor der Dampfparade,und nach dem nicht vorhandenen GMM folgt höchstwahrscheinlich dann doch endlich mal einer in Köln! Und wir unterstützen mit ner kleinen Gruppe den GMM Frankfurt -Alles in Planung – und ja klar,Cannabis Colonia wird auch auf Tour sein,heisst auch Demos besuchen die nur indirekt mit Cannabis zu tun haben,wie zb die am 23.2.in Köln,denn Internetzensur wollen wir ja schliesslich alle nicht..
Und Förderer gehen wir natürlich auch mal besuchen. Die Acm Patientendemo in Bonn unterstützen wir auch gern.. Also ich denk wir haben noch Eiiiiiiniges vor diesjahr! Bei uns endet nix mit Aschermittwoch..
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Feb 14, 2013 @ 01:47:35
Ach hier übrigens nochmal bewegte Bilder zur Aktion. Lieben Gruss 🙂
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Feb 14, 2013 @ 10:50:51
Danke für das Video Sofia. Habs mal direkt hier eingebunden.
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Feb 17, 2013 @ 23:39:19
Auf einen speziellen Wunsch von Heike Weidner vom Zeitdiebe-Magazin, der mich per E-Mail erreichte, möchte ich auch an dieser Stelle auch das aktuelle Video zur Aktion, das von Dirk Sonntag produziert wurde, nicht vorenthalten:
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Feb 18, 2013 @ 03:14:45
das stimmt natürlich..das Video ist von Dirk Sonntag !! und fantastisch!! lieben Dank! 🙂
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