Viele Befürworter einer Legalisierung oder liberalen Regulierung des Umgangs mit Cannabis, haben nach der Expertenanhörung vor dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages kritisiert, dass der Fokus zu stark auf Sucht und dem schädlichen Konsum von Cannabis durch Kinder und Jugendliche lag. In der Legalisierungs-Bewegung ist besonders Prof. Thomasius Vielen ein rotes Tuch. Warum aber gerade er und andere Suchtmediziner zu einer ablehnenden Meinung zur Cannabis-Legalisierung kommen, und wieso daran ebenfalls die Prohibition eine Mitschuld trägt, blenden die Meisten aus.

Psychiatrie – Bild unter CC-Lizenz

Von einer verharmlosenden Haltung bezüglich Marihuana, hat sich die Legalisierungsbewegung in den letzten Jahren, zugunsten von mehr Objektivität und Glaubwürdigkeit, deutlich entfernt. Die bestehenden Gefahren des Konsums werden nicht geleugnet, und niemand fordert die Freigabe für Kinder und Jugendliche. Gleichzeitig wird aber auch, ebenso wahrheitsgemäß klar gemacht, dass eben die meisten erwachsenen Konsumenten kein Problem mit dem Konsum haben – genauso wenig übrigens wie der Großteil der Alkohol-Trinker, die immerhin 95% in unserer Gesellschaft ausmachen. Genützt hat diese Strategie bislang nicht.

Geht es um Cannabis-Konsum, so ist immer sehr schnell von den Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche die Rede – und da meist auch noch von extremen Problemkonsumenten. Prof. Dr. med. Rainer Thomasius, ärztlicher Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) sowie des Bereichs Suchtstörungen an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik(UKE), tut sich seit Jahren als vehementer Kritiker jeglicher Lockerung der gesetzlichen Regelungen für den Umgang mit Hanfprodukten hervor. Das ist aus seiner Sicht auch verständlich. Versetzen wir uns für kurze Zeit einmal in Prof. Thomasius Rolle. In seinem Berufsalltag sieht er permanent nur die schwersten Fälle von hochproblematischen und psychisch abhängigen Konsumenten von Cannabis – und das auch noch ausschließlich bei Kindern und Jugendlichen, wo die Auswirkungen eines aus dem Ruder gelaufenen Konsums am gravierendsten sind. Die einzigen Menschen, die er in seinem Alltag trifft, die Cannabis konsumieren, bzw. es konsumiert haben bis sie seine Patienten wurden, sind diese Leute. Mit unproblematischen, erwachsenen Kiffern kommt er überhaupt nicht in Kontakt. Durch die Strafbarkeit exponieren sich diese Leute ja auch nicht in der Mehrheit in der Öffentlichkeit, sondern bleiben lieber unauffällig – unsichtbar. Zahlen über die Konsumenten in Deutschland können demnach nur Schätzwerte sein.

Thomasius ist zwar der bekannteste Suchtmediziner, da er zu diesem Thema gern von der Bundesregierung gehört wird. Allerdings gilt sein Erfahrungshintergrund natürlich auch für andere Suchtmediziner. Wie könnte es auch anders sein? Der Expertenstatus dieser Leute bezieht sich, wie die Berufsbezeichnung schon sagt, auf Sucht und Süchtige. Der Fehler liegt darin, diese Leute gleichsam als Experten für Cannabis und den Umgang der Mehrheit der Konsumenten mit dieser Substanz zu betrachten. Das sind diese Leute keinesfalls. Von ihnen kann kein objektives Bild erwartet werden. Zudem antworten sie z.B. bei Anhörungen nur auf Fragen, die Ihnen gestellt werden. Und diese betreffen meist auch nur den Teilbereich der Thematik, mit dem sie beruflich befasst, und für den sie somit kompetent sind. Ein umfassenderes Bild wird von ihnen nicht erwartet. Die schriftliche Stellungnahme von Prof. Thomasius zum Antrag der Linken auf Zulassung von Cannabis-Clubs zeigt dies sehr deutlich.

Problematisch ist die völlig überproportionale Gewichtung von deren Aussagen. Würde die Legalität von Alkohol nur an Erfahrungen von Medizinern bei der Behandlung jugendlicher Alkoholiker und Koma-Säufer festgemacht, wäre dies ebenso falsch. Zu Recht hielte die Mehrheit der Bevölkerung eine solche Betrachtungsweise für absurd. Bei Alkohol wird differenziert. Daher gibt es ja unsere, richtigen, Regelungen zum Jugendschutz. Diese greifen (wenn sie auch von einigen Jugendlichen umgangen, und von manchen Einzelhändlern nicht eingehalten werden) beim Alkohol recht zuverlässig, da er eine kontrollierte und legale Substanz ist, für die es in Deutschland keinen Schwarzmarkt gibt. Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz im Einzelhandel werden geahndet und die Einhaltung wird kontrolliert. Solange Cannabis aber illegal ist und von Dealern verkauft wird, ist dies im gleichen Ausmaß nicht möglich. Eine Legalisierung ist also gerade auch im Hinblick auf Kinder und Jugendliche zu befürworten. Der Blick der Mediziner reicht da einfach nicht weit genug. Trotzdem sollten wir diese Leute nicht als Feinde wahrnehmen. Nur ein geschärftes öffentliches Bewusstsein für die Verhältnismäßigkeit zwischen unproblematischem Konsum Erwachsener und problematischem Konsum von Jugendlichen, kann diese verzerrte Wahrnehmung ins rechte Licht rücken. Dazu gehört aber viel Mut der verantwortungsvollen Konsumenten. Die Aktion zum Paragraph 218, wo sich viele Frauen unter der Überschrift: „Ich habe abgetrieben“ geoutet haben, als Abtreibung in Deutschland noch strafbar und unreguliert war, kann da als Vorbild betrachtet werden – sie war von Erfolg und einer menschlicheren Gesetzgebung gekrönt.

Strafe oder Therapie? – Bild unter CC-Lizenz

Das Damoklesschwert des Strafrechts bleibt also auch für die nötige Öffentlichkeitsarbeit ein großer Hemmschuh. Gleichzeitig generiert es auch, sogar durch positive gesetzliche Möglichkeiten einer Vermeidung von Haft wegen Straftaten, die einen Bezug zu Betäubungsmitteln haben, wie dem § 35 BtMG, neue Patienten für Psychiatrien und Entzugskliniken. Wurde der § 35 (Stichwort Therapie statt Strafe) sicher mit den besten Absichten geschaffen, so sorgt er doch für ein weiter verzerrtes Bild unter den Medizinern. Ich will gewiss nicht allen Straffälligen, die in den „Genuss“ dieser Regelung kommen bzw. diese für sich zur Haftvermeidung nutzen unterstellen, sie seien bloß Simulanten. Aber die Anzahl derer, die sich lieber als süchtig darstellen, da einige Wochen oder Monate Therapie ganz sicher angenehmer sind, als ein Jahr im Gefängnis, dürfte trotzdem nicht zu unterschätzen sein. Würde man vermuten, dass dieser Paragraph fast ausschließlich Heroinabhängige und deren Beschaffungskriminalität betrifft, liegt man falsch. Immer mehr Straftäter nutzen diese Möglichkeit, indem sie sich als cannabisabhängig darstellen, und viele kommen damit durch. So gerät Cannabis weiter in Verruf und die Statistik problematischer, und damit öffentlich registrierter und wahrnehmbarer, Konsumenten geht nach oben.

Ein realistisches Abbild der Cannabis-Konsumenten und des Verhältnisses zwischen problematischen und unproblematischen Kiffern, kann öffentlich also erst entstehen, wenn eine Legalisierung erreicht ist. Das bislang jedoch stark verzerrte Bild dieser Verhältnismäßigkeit, wird ständig als Argument gegen die Legalisierung angeführt. Das ist ein Teufelskreis der unbedingt durchbrochen werden muss. Den Erfahrungen der Suchtmediziner muss dringend ein anderes Bild entgegen gestellt werden. Das wahrheitsgemäße Bild der überwältigenden Mehrheit der erwachsenen, verantwortungsvollen Genuss- und Freizeitkonsumenten.